"Wir blicken zehn Jahre zurück. Der Bohrturm für die Probebohrung steht vor dem Milchautomaten, dahinter verspricht im Büro der Genossenschaft ein Transparent 'Wärme für alle!' Gerade wurden sowohl der Publikumspreis als auch der der prominent besetzten Jury des Planet Hero Award gewonnen. Der Entwurf der Wärmeplanung war gerade herausgekommen, eine Reihe interessierter Bürgerinnen, Bürger und Organisationen zerbrachen sich die Köpfe über die eigentliche Botschaft dieses sehr langen Papiers.
Heute, wir schreiben das Jahr 2035, sehen wir in Bremen Stadtteile, in denen Klimaanlagen an allen möglichen Stellen angebracht sind, in den vorderen und hinteren Gärten, auf Dächern und an den Fassaden. Das ist offensichtlich nicht als Kunst am Bau zu verstehen, auch wenn die Installateure es so gesehen haben. In anderen Stadtteilen nichts dergleichen. Hat man hier etwa nichts von der Wärmewende mitbekommen und von den verbleibenden drei Jahren bis zur beschworenen Klimaneutralität? Dann hält ein Campinggas-Lieferant vor einem der Häuser. Der Bewohner, in der Nachbarschaft als Gourmet bekannt, lässt es sich liefern, es ist für seinen Gasherd unverzichtbar. Hier gibt es also schon kein Gas mehr aus der Leitung. Nein, es liegt ein unsichtbares 'kaltes Netz' unter dem Bürgersteigen. Kein Souterrain-Fenster wird mit einer Luftwärmepumpe zugestellt, auch sonst sind keine klobigen Kästen zu sehen.
Die Kommune konnte das Gasnetz in diesen Straßen stilllegen und erspart den letzten Gaskunden und der Stadt die Kosten für dessen Erhalt.
Zwischen den Bewohnern einiger Stadtteile gibt es bei herbstlichen Straßenfesten Wettbewerbe mit der etwas ironischen Frage: 'Wer hat die längste Leitung?' – welche kalten Netze haben sich schon mit benachbarten Straßen verbinden können? Gefeiert wird damit auch die gemeinschaftliche Leistung, ein Anergienetz organisiert zu haben, dieses aktiv als Teil der Genossenschaft mitzutragen; einer Genossenschaft, die hilft, die technischen und finanziellen Risiken bei Bau und Betrieb gleichmäßig zu verteilen. Das gibt ein Gefühl der Selbstwirksamkeit, sich aus Klimagründen von Gaslieferungen obskurer Herrschaften zu verabschieden, die Daseinsvorsorge dauerhaft in die eigene Hand zu nehmen.
Zunehmend werden Abwärmequellen angezapft, um die Temperatur des zwischen den Erdsonden und den Häusern zirkulierenden Wassers anzuheben und damit die Effizienz der häuslichen Wärmepumpen zu steigern. Diskutiert wird auch der Bau einer Großwärmepumpe in der Weser, für denselben Zweck, obwohl es nur um eine geringe Anhebung der Wärme ginge. Mittlerweile wird an Konzepten gearbeitet, selbst die Hitze der Straßenbeläge in die Erde zu verfrachten. Die Stromversorgung kann noch durch Photovoltaik günstiger werden, insbesondere mit PVT-Anlagen, die gleichzeitig warmes Wasser erzeugen. Daneben stellen fallweise Batterien günstige überschüssige Energie bereit.
Die ErdwärmeDich-Genossenschaft wächst weiter an Mitgliedern, an angeschlossenen Clustern und an Beschäftigten. Sie treibt den Ausbau auch im Austausch mit Ablegern in anderen Kommunen voran.
In der Innenstadt schachten Bautrupps Straßen aus. 300 Km Leitungsnetz waren 2025 für das eine Drittel der versprochenen Fernwärme erforderlich. Nach diesen 10 Jahren Baustelle in der Innenstadt fehlen also noch 200 Km. Dort, wo kalte Netze gebaut werden, sieht man einen gesperrten Bürgersteig, ein geräuscharmer Bohrturm rückt alle zwei bis drei Tage sechs bis acht Meter vor. In der Zeit werden auch Vor- und Rücklauf des Netzes unter den Bürgersteig gelegt. Es sind einfache Polyethylen-Rohre, gerade mal 20 cm Durchmesser und über 100 Jahre lang haltbar, also doppelt so lange wie die Stahlrohre der Fernwärme mit ihren noch vorher verotteten Dämmungen."
Klaus Berger, Mitgliedsnummer 001 der Genossenschaft Anergienetze eG, nach Diktat zurückgebeamt ins Jahr 2025