Wärmeinfrastruktur - eine öffentliche Aufgabe

Verantwortlichkeiten der öffentlichen Hand in der Wärmewende
Fensterfront des ErdwärmeDich-Büros in der Humboldtstraße 179
Fensterfront des ErdwärmeDich-Büros in der Humboldtstraße 179

Wärmeinfrastruktur – eine öffentliche Aufgabe

Thomas Losse-Müller, Chef der Stiftung Klimaneutralität und schleswig-holsteinischer Landespolitiker, hat in einem Interview mit Anton Dieckhoff von der taz am 29.8.2024 beunruhigende Aussagen zu unserer zukünftigen Wärmeversorgung getroffen. Das ärmste Drittel der Haushalte habe keine Chance, energetisch zu sanieren oder in eine Wärmepumpe zu investieren, so eine Studie seiner Stiftung. Losse-Müller führt aus: „Wenn die Stadtwerke dort kein Wärmenetz aufbauen, dann muss der Staat viel Geld in Hand nehmen, um die Sanierung jedes einzelnen dieser Häuser zu fördern. Und das wahrscheinlich zu höheren Kosten, als wenn er sich selbst um ein Wärmenetz kümmern würde.“

Der Aufbau eines solch umfassenden Wärmenetzes würde aber für das Land Bremen zu unlösbaren Herausforderungen führen. Zunächst ist die swb AG, die ja aus den ehemals kommunalen Stadtwerken hervorgegangen ist, entgegen dem scheinbar kommunalen Namenskürzel „swb“ ein Unternehmen in Form einer Aktiengesellschaft, das als profitorientiertes, privatisiertes Unternehmen agiert. Zweitens plant die swb AG, nur für 30% der möglichen Kunden eine Fernwärmeversorgung anzubieten, beschränkt auf diejenigen, die Erträge erwarten lassen. Für mehr als 2/3 der Bremerinnen und Bremer kommt die Fernwärmeversorgung nach den jetzigen Planungen daher nicht. Bremen müsste dann sehr viel zuschießen, um die ganze Stadt profitabel anzuschließen.

Losse-Müller geht für den Fall der öffentlichen Fernwärmeversorgung davon aus, dass eine teure wärmetechnische Sanierung der Häuser nicht erforderlich ist. Der Einbau einer privaten Wärmepumpe soll dagegen die für viele unbezahlbare Wärmedämmung voraussetzen – rätselhaft, da doch beide Systeme dieselben Heiztemperaturen zur Verfügung stellen.

Losse-Müller weist auf einen weiteren kritischen Punkt hin. Wir bewegten uns auf eine Zwei-Klassen-Energie-Gesellschaft zu. Der wohlhabende Teil der Bevölkerung könne sich unabhängig von den kommunalen Energiepreisen machen. Aber „mit jedem wohlhabenden Haushalt, der sich aus dem gemeinschaftlichen Netz verabschiedet, wird es teurer für alle anderen.“ Die aus dem Netz ausgeschiedenen Haushalte tragen nicht mehr dazu bei, die Netzkosten zu finanzieren, sowohl bei Strom als auch bei Gas. Der Chef der swb AG hat im Rahmen einer Veranstaltung der Grünen mit der neuen Umweltsenatorin Moosdorf im Festsaal der Bürgerschaft festgestellt, dass dieses Problem von der Bundesregierung gelöst werden müsse. Das Netz gehört allerdings der swb AG und müsste eigentlich am Ende der Vertragslaufzeit von der swb AG entsorgt werden. Die in Rede stehende letzte(n) RentnerIn müssten dann vom Bremer Senat campingmäßig mit Propangasflaschen versorgt werden.

 

Fernwärme – im Ernst?

Der Aufbau eines Fernwärmenetzes verursacht einen gewaltigen und jahrelangen Aufwand an Grabungen und Installationen im Straßensystem Bremens. Der Bau der Fernwärmeleitung durch Schwachhausen hat entsprechende Bilder und Erinnerungen hinterlassen. Ein Netz von verschweißten Stahlrohren mit dicken Dämmstoffummantelungen zur Minderung der Wärmeverluste müsste entstehen. Es wäre technisch anfällig, wie der Einsturz der Conradi-Brücke in Dresden gezeigt hat, wo die Fernwärmerohre gerissen sind. Außerdem führt der Anschluss an ein Fernwärmenetz zu einer großen Abhängigkeit der Verbraucher*innen. Verbraucherverbände warnen davor.

In der Süddeutschen Zeitung vom 25.9.24 heißt es in einem Kommentar von Nakissa Salavati: „... Haushalte mit Fernwärme (haben) im Durchschnitt acht Prozent mehr gezahlt (...) als noch 2022. Für 2024 könnten es sogar zwanzig Prozent mehr sein." Zwar müssten die Versorger ihre Preise nach einer gesetzlich festgelegten Formel anpassen. "Weil diese Regelung aber intransparent und kompliziert ist, legen manche Versorger, übrigens oft Stadtwerke, diese Formel zu ihrem Vorteil aus und verlangen schlicht unrechtmäßig überhöhte Preise.“ Das Bundeskartellamt spricht insofern von „gefangenen Kunden“.

Das bremische Wärmenetz wird darüber hinaus auch weiterhin mit CO₂-Emissionen verbunden sein, denn die Müllverbrennung ist eingeplant. Diese Emissionen werden aber mit der Begründung auf Null gesetzt, dass der Müll ja sowieso verbrannt werden müsse. Müllvermeidung würde uns dann ziemlich kalte Füße machen oder setzt man auf Müllimporte?

 

Alle setzen auf Fernwärme – alle? Wir nicht!

All diese Probleme können vermieden oder zumindest entscheidend vermindert werden durch die von dem Verein ErdwärmeDich e.V. in Bremen geplanten Anergienetze. In diesen Netzen wird die Wärme durch eine Sole-Wasser-Wärmepumpe im Haus erzeugt. Jedes Haus, egal wie groß das Grundstück ist, erhält einen Zugang zu Erdwärme und kann auf fossile Brennstoffe (Öl, Gas, Kohle) verzichten. Dies ist auch bei unseren oft nur schwer zu dämmenden Altbauten möglich.

Die Nutzung der Erdwärme ist für alle Haushalte finanzierbar, denn das genossenschaftliche Konzept des Vereins sieht vor, dass die einzelnen Nutzer*innen keine hohen Anfangsinvestitionen leisten müssen und die monatlichen Kosten nicht höher als die bisherigen Heizkosten sein werden. Und mit diesem System werden tatsächlich keine CO₂-Emissionen verursacht – vorausgesetzt, der von der Erdwärmepumpe benötigte Strom wird entsprechend CO₂-frei bzw. CO₂-arm produziert – im Idealfall auf dem eigenen Dach. Die Bohrungen für die Erdsonden werden zwar in den Straßen mit Altbremer Häusern auf öffentlichem Grund erfolgen müssen. Aber es sind im Vergleich mit Fernwärmeleitungen nur minimale Grabungen notwendig.

 

Die Wärmewende ist eine öffentliche Aufgabe

Der Aufbau einer Wärmeinfrastruktur ist ganz im Sinne Losse-Müllers eine öffentliche Aufgabe der Kommunen; und zwar eine Pflichtaufgabe im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Dementsprechend sollen die von uns geplanten Anergienetze in die kommunale Wärmeplanung einbezogen werden. Da die Planung der Anergienetze durch den Verein zu einer spürbaren Entlastung des Landes führen würde, ist eine Unterstützung nur recht und billig, insbesondere in Form von zügiger Genehmigung der Bohrungen für die Wärmesonden im öffentlichen Raum. Zu denken ist auch an den Aufbau eines kommunalen Betriebes zur Durchführung der Bohrarbeiten bzw. zum Bereitstellen der Bohrgeräte. Im Vergleich mit dem was Losse-Müller und sein Institut vorschlagen, sind diese Maßnahmen für Bremen nahezu kostenneutral und entlasten somit den Landeshaushalt.

Aber mittlerweile drängt die Zeit. Bremen soll, gemäß einem Beschluss des Senats vom Mai 2022, bis zum Jahr 2038 klimaneutral sein. Das bedeutet, wie im Bremischen Klimaschutz- und Energiegesetz (BremKEG) geregelt, dass kein CO₂ mehr ausgestoßen werden darf. Heizen mit fossilen Brennstoffen ist dann nicht mehr erlaubt. Die geplanten Anergienetze genügen diesen Anforderungen. Planung und die notwendigen Bohrungen erfordern allerdings ihre Zeit. 30% der größeren Gebäude versorgt die swb. 70%, d.h. tausende von Häusern, müssten in den nächsten 13 Jahren versorgt werden, jedes Jahr. Mehr noch, wenn man die geforderte kommunale Wärmeplanung erst 2026 abschließt. Bis dann müssten dutzende von Bohrmaschienen 250 Tage im Jahr bohren und Handwerker tausende von Wärmepumpen einbauen (– wenn man sich auf jeweils eine Pumpe pro Haus einigen kann). 

Die öffentliche Hand ist im Rahmen der Daseinsvorsorge für Versorgungssicherheit verantwortlich. Sie muss sicherstellen, dass alle Bürger Zugang zu lebensnotwendigen Dienstleistungen wie Wasser, Energie, Gesundheitsversorgung und Bildung haben. Dazu gehört auch der Schutz vor Marktversagen: In Bereichen, wo der Markt allein nicht zuverlässig funktioniert (z.B. bei der Energieversorgung), muss der Staat eingreifen und regulieren.

Daher: die bloße „Gestattung“ ist keine ausreichende Unterstützung, wenn es sich auch noch um politische und verfassungsmäßige Ziele (Handlungsfreiheit auch der nächsten Generation) der Bundesrepublik und des Bremer Senats handelt.